"Zownirs radikale Art der Fotografie, die er seit den späten 1970er Jahren zuerst in West-Berlin, London und dann in New York entwickelte, setzt bis heute Maßstäbe im Bereich der sozialen, künstlerischen Fotodokumentation."

"Zownir's radical style of photography, which he developed since the late 1970s, first in West Berlin, London and then in New York, remains to this day a benchmark in the field of social and artistic photo documentation."

EUROPEAN MONTH OF PHOTOGRAPHY BERLIN 2020   

MIRON ZOWNIR Künstlerische Vita

Das künstlerische Werk des Dokumentarfotografen Miron Zownir zeigt seit mehr als vier Jahrzehnten eine konsequente Auseinandersetzung mit den sozialen Herausforderungen der jeweiligen Epochen. Wie nur wenigen zeitgenössischen Fotografen ist es ihm gelungen, über alle Dekaden hinweg, ein außergewöhnlich konsequentes fotografisches Werk zu schaffen. Zownir, der „Poet der Radikalen Fotografie“, wie der legendäre amerikanische Autor Terry Southern ihn einst nannte, portraitiert schon seit Ende der 70er Jahre auf unverwechselbare Weise Menschen in konfliktgeladenen sozialen Milieus und ist seinen gesellschaftskritischen Sujets bis heute treu geblieben.

Miron Zownir wurde 1953 als Sohn deutsch-ukrainischer Eltern in Karlsruhe, Deutschland, geboren. Seine fotografische Karriere begann 1975, als er nach West-Berlin zog und dort mit analoger Schwarz-Weiß-Fotografie zu arbeiten begann. Es folgte ein einjähriger Aufenthalt in London 1978/79, wo er sein kreatives Potenzial im Genre der Straßenfotografie weiterentwickelte. Seine frühen Fotografien geben Einblick in eine Zeit, in der soziale Dauerkonflikte die Wirtschaft und Gesellschaft im Vereinigten Königreich aushöhlten und in die schwerste politische Krise des Jahrzehnts führten, den „Winter of Despair“. 1980 emigrierte Miron Zownir in die USA und lebte achteinhalb Jahre in New York City. Seine fotografische Dokumentation der New Yorker Subkultur der 1980er Jahre prägte sein Renommee als radikalster Dokumentarfotograf seiner Generation. Nach einem Umzug nach Los Angeles und Pittsburgh kehrte Zownir 1995 nach Berlin zurück, wo er seit dem lebt und arbeitet. 

1995 reiste Miron Zownir nach Moskau und dokumentierte dort die humanitäre Krise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit findet der Fotograf eine Situation vor, die er damals als „Dantes Inferno“ beschrieb. Er fotografierte Obdachlose, Sterbende und Tote auf den Straßen, Bahnhöfen und Unterführungen der russischen Hauptstadt. Die brutale Konfrontation mit einer sozialen Tragödie, über die der Mantel des Schweigens gelegt wurde, verstärkte Zownirs Fokus auf gesellschaftliche Umwälzungen und die Härten des Lebens. In den folgenden Jahrzehnten blieb Zownir seinem Ansatz treu, sozialkritische Themen aufzugreifen. So arbeitete er zwischen 2012 und 2014 mit der ukrainischen Autorin Kateryna Mishchenko, u. a. im Rahmen des Grenzgänger Stipendiums der Robert Bosch Stiftung, an dem Fotobuch UKRAINIAN NIGHT, das die politische und gesellschaftliche Lage in der Ukraine festhielt. 2016 reiste er in die USA und fotografierte in den verarmten Stadtviertel von  wohlhabenden Westküstenstädten wie San Francisco und Los Angeles, während er 2018 mit seiner Serie ROMANIA RAW auf die menschenunwürdigen Lebensumstände von Roma-Familien in der Nähe von Cluj Napoca aufmerksam machte. In seiner Fotoserie ISTANBUL (2019/2020) zeigte Miron Zownir, wie vielfältig die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Menschen in der größten Stadt der Türkei sind und bildet eine soziale Realität ab, zu der auch eine immer größer werdende Armut und soziale Tabus gehören. Ein weiteres internationales Fotoprojekt war Zownirs Arbeit in Kanada 2023, bei der er die Fentanyl-Krise in Vancouver und die Herausforderungen der First Nations in Winnipeg dokumentierte. 2024 kam mit einem Fotoprojekt aus Italien eine neue Facette seines Werkes hinzu, das seine Straßenfotografie im europäischen Kontext erweiterte.

Zownirs Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstelungen gezeigt. In der Ausstellung El Salvaje Europeo (CCCB, 2004) präsentierte das Centre de Cultura Contemporània Barcelona Miron Zownirs Fotografien neben Werken von u.a. Picasso, Ribera, Cranach, der Ältere, Goya, Buñuel und Dürer. Weitere Ausstellungen im musealen Kontext folgten. So zeigte zum Beispiel das Fotomuseum Winterthur/Schweiz Miron Zownirs Fotografien in der Ausstellung DARKSIDE I (2008), in deren Mittelpunkt die Fotografie als Darstellungsinstrument und als wichtiger visueller Katalysator von Sexualität stand, mit Werken von Helmut Newton, Hans Bellmer, Man Ray, Pierre Molinier, Robert Mapplethorpe, Andy Warhol, Nan Goldin, Larry Clark, Joel Peter Witkin, Bill Brandt, Brassai, Nobuyoshi Araki, Francesca Woodman, Boris Mikhailov u.a. DARKSIDE II (2009), ebenfalls im Fotomuseum Winterthur zu sehen, beschäftigte sich mit dem menschlichen Körper unter Einwirkung von destruktiven Kräften wie Gewalt, Krankheit, Krieg, Sterben und Tod. Die einzigartige Sammlung beinhaltete u.a. Fotografien von Miron Zownir aus Russland, sowie Bilder der amerikanischen Reportage- und Kriegsfotografen W. Eugene Smith oder Oliver Noonan, des legendären Fotoreporter und Polizeifotografen Weegee, ebenso wie Werke von von Alvin Balltrop, Robert Capa, Henry Cartier Bresson, Robert Frank, Larry Clark oder Don Mc Cullin. 

2016 widmete das Haus der Photographie/Deichtorhallen in Hamburg Miron Zownir eine umfassende Retrospektive mit über hundert Fotografien, kuratiert von Ingo Taubhorn. Im selben Jahr wurde Zownir zum zweiten Mal in Folge für seine Fotos unter dem Titel „Shooting from the sidelines“, veröffentlicht im Zoo Magazine Nr. 49 bei den LEAD AWARDS 2016 in der Kategorie Reportagefotografie des Jahres ausgezeichnet. Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg (2019) und das Museum für Fotografie Berlin (2020) präsentierten die frühe Fotografien von Miron Zownir aus Berlin und New York in der Ausstellung WOLFGANG SCHULZ UND DIE FOTOSZENE UM 1980. Beide Museen widmeten dieser Zeit des wichtigen Umbruchs in der Geschichte der westdeutschen Fotografie eine Ausstellung, die das Wirken und Werk des legendären FOTOGRAFIE Herausgebers Wolfgang Schulz umfasst und herausragende Arbeiten von Fotograf*innen präsentierte, deren Werke prägend für die Jahre um 1980 wurden. 

Die Stiftung Reinbeckhallen - Sammlung für Gegenwartskunst präsentierte 2020/21 Miron Zownirs frühen Berlin Fotografien in der Fotoausstellung BERLIN 1945–2000: A PHOTOGRAPHIC SUBJECT, gemeinsam mit den Arbeiten weiterer deutscher und internationaler Fotograf*innen, die zwischen den unmittelbaren Nachkriegsjahren und dem Ende des 20. Jahrhunderts in Berlin fotografierten, wie z.B. Sibylle Bergemann, Gundula Schulze-Eldowy, Arno Fischer, Nan Goldin, Herbert Hensky, Will McBride und Roger Melis. Die Ausstellung wurde kuratiert von  Dr. Candice M. Hamelin.

Unter der Leitung der italienischen Fotografin Letizia Battaglia, die 2022 verstarb, widmete das Centro Internazionale di Fotografia in Palermo Miron Zownir 2021 eine umfassende Retrospektive. Die Ausstellung Zeitwirdknapp / Non c’è più tempo, mit Werken, die zwischen 1977 und 2019 entstanden sind, wurde in Kooperation mit dem Goethe Institut Palermo realisiert. 2022 waren Miron Zownirs Fotografien aus der Serie UKRAINIAN NIGHT in der WESERBURG – MUSEUM FÜR MODERNE KUNST, Bremen, sowie im Kunstmuseum Gelsenkirchen zu sehen. 

In der Ausstellung DIX UND DIE GEGENWART (2023/24) in den DEICHTORHALLEN Hamburg waren 50 Fotografien von Miron Zownir zu sehen. Fünf Serien aus verschiedenen Jahrzehnten, die menschliche Schicksale in Städten wie Moskau, London, New York City, West-Berlin, Berlin sowie der US-Amerikanischen Metropolen Los Angeles, San Francisco und Las Vegas zum Gegenstand haben  wurden in der Ausstellung Dix` fünf Radiermappen „Der Krieg“ von 1924 gegenübergestellt. Dix setzte in seinem Werk groteske Elemente ein, um die sozialen und politischen Strukturen der Weimarer Republik aufzuzeigen und stereotype Vorstellungen zu dekonstruieren. Auch Miron Zownir portraitiert in seinen Fotografien Menschen am Rande der Gesellschaft, die aus dem gewöhnlichen sozialen Funktionskontext ausgestoßen wurden. Über viele Dekaden und Generationen des 20. Und 21. Jahrhunderts hinweg ergibt sich so eine Galerie der Werke zweier Künstler, die der Betrachter*innen mit einer brutalen Realität und der daraus entspringenden Verzweiflung konfrontieren.

Seit 2014 wird Miron Zownir auf internationalen Fotomessen in London, Paris  und Los Angeles und weltweit in  Einzel- und Gruppenausstellungen von der Kölner Galerie Bene Taschen repräsentiert, die einige der renommiertesten Künstler der zeitgenössischen Fotografie in ihrem Galerieportfolio führt, darunter Sebastião Salgado, William Claxton, Arlene Gottfried, Larry Fink, Jamel Shabazz, Jeff Mermelstein, David LaChapelle, Gregory Bojorquez und Joseph Rodriguez.

"Miron Zownirs zeitlose Bilder spiegeln die typischen Begleiterscheinungen des Kapitalismus wider und rütteln, ob bewusst oder unbewusst, an dessen Fundamenten. Indem er den Fokus auf die Verfemten und Entrechteten richtet, steht er in der Tradition mit Schriftstellern, die die Auswüchse des kapitalistischen System seit dem Ursprung radikal beobachten und in eine unvergessliche Sprache verwandelten, wie Charles Dickens, Fjodor Dostojewski, Victor Hugo oder Maxim Gorki."

"Miron Zownir's timeless images reflect the typical side effects of capitalism and undermine, consciously or unconsciously its foundations. By focusing on the outlawed and disenfranchised, he follows the tradition of writers, who have radically observed the excesses of the capitalist system from its inception and transformed them into unforgettable language, such as Charles Dickens, Fyodor Dostoyevsky, Victor Hugo or Maxim Gorky. "

"Szenen aus der Tiefe" exhibition catalogue  MIRON ZOWNIR - DIE UNSICHTBAREN  by  Petra Schröck/Galerie Brotfabrik Berlin

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